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Wahrheit-Lüge-Täuschung

Wahrheit, Lüge, Täuschung
Ethik in der professionellen Kommunikation von Unternehmens- und Werbekultur


Vortragsabend mit Prof. Steffen Hillebrecht
// Dienstag, 19. November 2013, Evangelische Studentengemeinde, Würzburg

Was ist Ethik? – Diese Frage zieht sich durch den gesamten Abend im Vortragsraum der Evangelischen Studentengemeinde. Gestellt wird sie von Steffen Hillebrecht, Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Der vom Bodensee stammende Medienwissenschaftler referiert an diesem Abend über Ethik, Moral und Tricks der Marketing-Unternehmen. Es ist der erste von zwei Vortrags- und Gesprächsabenden mit dem Leitthema: „Wahrheit, Lüge Täuschung“.Die abschließende Diskussion wirft die Frage auf: Ist es auch eine Lüge, wenn ich die Wahrheit nicht sage? Der Vortragsabend wurde vom Ethik-AK der KHG gemeinsam mit der ESG veranstaltet.

„Anforderungen an moralisch oder sittlich richtige Handlungsweisen“, sagt Prof. Hillebrecht, „das, meine Damen und Herren, ist Ethik.“ Nach ihm gilt es klar zu trennen, was oft schwer zu unterscheiden ist: Moral vs. Ethik. „Wenn ich mich im gesetzlichen Verbotsrahmen befinde, ist Mord nicht erlaubt. Jedoch sagt unser ethisches Verständnis, der Tyrannenmord ist legitim – thematisiert durch die Zeit `33 - `45. Und somit wurde der Passus ins Grundgesetz aufgenommen, dass in eben solch einem Fall, Mord legitim ist.“, erklärt Hillebrecht. Der große Rahmen, den der Mitt-Fünfziger durch den Abend zieht: Ethik ist eine Frage die sich die Gesellschaft stellt – „Soll ich etwas tun, obwohl ich es nicht darf?“ Erst im öffentlichen Raum bildet sich eine ethische Diskussion – und nur die Gesellschaft kann diese führen und lösen.

So sind es aber insbesondere die (Massen)Medien, die gerne den Rahmen dehnen und mit den ethischen Bestimmungen spielen. Zu Zeiten der ‚Eurorettung’ und ersten Debatten um Griechenland zierte eine, den Mittelfinger hebende Figur der griechischen Göttin Aphrodite das Cover des FOCUS. Wenig später wurde Angela Merkel in einer griechischen Zeitung in NS-Uniform und markantem Oberlippen-Bart abgebildet. „Das sorgt für die passende Auflage“, sagt Hillebrecht, „aber es fördert sicherlich nicht die Akzeptanz der deutschen Politik in Griechenland und umgekehrt“. Somit stellt er die Frage, was ethisch dazu zu sagen ist. Gesetzlich geschützt durch die Pressefreiheit, bleibt ein „G’schmäckle“, wie der Franke sagt.

Im Marketing geht es ebenfalls um Meinungsbildung. „Dienst am Markt und der Gesellschaft,“, definiert Hillebrecht, „das ist neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis und der Augenhöhe mit dem Kunden die Aufgabe des Marketings.“ Somit stellen sich auch hier gewisse ethische Fragen, die jedes Unternehmen für sich beantwortet. Er zieht als Beispiel die Automobil-Branche heran. Zum einen der Audi, der mit Vorsprung durch Technik, Innovation lockt. Dann der BMW, der klar verspricht: Mit mir sind 180 auf der Autobahn kein Problem. Der VW, der schlichtweg Das Auto ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schließlich der Mercedes, der ausbalanciert ist, zwischen Technik, Luxus und Fahrgefühl. „Verführen statt Druck ausüben. Das ist die Parole im Marketing.“, erklärt der Experte. Somit pickt sich jeder Anbieter seine Zielgruppe heraus und passt Werbung, Idee und Lifestyle der Marke den Bedürfnissen der Kunden/des Markes an.

Hillebrecht redet von push-and-pull. Zum einen platziert das Unternehmen Produkte im Markt (push) und zum anderen fordert der Markt nach gewissen Dingen (pull). Die Wirkung von „Bio“ in Namens- oder Logozusätzen ist eine dieser ethischen Sachverhalte, die Hellebrecht anführt. Die VerbaucherInnen wissen, dass es für 49 ct. nicht möglich ist, 200g Schweineschnitzel anzubieten – insbesondere nicht, wenn die Tiere unter guten Bedingungen gehalten und geschlachtet wurden. Doch seit die Verpackungen grüne Farbstreifen bekommen haben und Wortteile wie „Land“ oder „Natur“ in die Produktnamen Einzug gehalten haben, fühlt sich der/die VerbraucherIn besser beim Billig-Kauf. „Wir müssen nach eigenem Gewissen und eigener Anschauen entscheiden, was es uns wert ist. Egal ob bei Kleidung, Ernährung oder Transport.“, sagt der Medienwissenschaftler. Der Markt fungiert dabei lediglich als Lokalisierung des Nachfragerwillens, ist regulierendes Organ, wenn sich ethische Grenzen verschieben. Und somit wird aus der Ethik im Konsum die Moral des/der Einzelnen, die als Messlatte angelegt werden muss. Während manche keinen Fuß in einen KIK-Laden setzen, weil ihnen vielleicht Produktionsbedingungen der angebotenen Artikel und verwendetes Material nicht taugen, gibt es andere, die dankbar eine günstige Einkaufsmöglichkeit für Kleidung wahrnehmen. Selbiges gilt für Fleisch: Auch wenn wir hören, mit wie viel Antibiotika und anderen Mitteln Tiere in der Massenhaltung behandelt werden, überzeugt viele der Preis im Kühlregal mehr als die eigene Moral.

Eine ebenso schlimme Beobachtung machte Hillebrecht bei den sensiblen Daten von Kundinnen und Kunden. Für wenige ‚Punkte’ beim Einkauf geben einige ihr Kaufverhalten, persönliche Daten und mehr preis, um einen prozentualen Teil ihres Umsatzes als Gutschein zu erhalten – oder sich sonst wie für die Spionage prämieren zu lassen. So fragt er sich auch, wie weit die ethischen Grundsetze in der TV-Landschaft gehen und führt als Beispiel ‚Germanys next Topmodel’ an. „Junge Frauen, oft gerade einmal 16-17 Jahre alt, werden wie Objekte ausgewählt, aus den Schulen gezogen und mit moralisch fragwürdige Methoden in die weite Welt des Profi-Modell-Stehens eingeweiht.“ Er selbst sieht es auch regelmäßig, aus wissenschaftlichen Zwecken versteht sich. Jedoch bleibt die Frage, warum und wie es sein kann, dass niemand den Wahn nach Size-Zero unterbindet und 12% der deutschen ZuschauerInnen regelmäßig vor Heidi Klums Sendung sitzen.

Es ist wohl das Verführen, das im Marketing immer eine Rolle spielt. So wie Klum zu einer Welt verführt, in der Luxus und Reichtum das Leben bestimmen (können), so verführt uns das grün-gehaltene Wort „Natur“ beim Kotelett-Kauf etwas Gutes zu tun. „Es geht darum, dass wir Dinge tun, die wir nüchtern nicht tun würden.“, erklärt der Marketingexperte.

Ethik ist eine Marktfrage und kann ebenso wie der Markt von Angebot und Nachfrage reguliert werden. Somit prangert Hillebrecht zurecht an, dass die Lehre von Ethik und das Bilden von Moral in die Ausbildung gehört und stellt die Frage: Marketing verführt, doch wer widersteht? Seine Antwort: Hinterfragen. Nur wer sich informiert, hinterfragt und eine Meinung bildet, kann Versuchungen widerstehen und Qualität aus dem Angebot filtern. Während der Diskussion über Lügen und Ethik komm aus dem Publikum die Frage, ob es nicht einen Unterschied mache, wenn man nicht die Wahrheit sagt, oder die Wahrheit nicht sagt. Der Dozent erklärt daran den sprachlichen Witz des Marketings und beendet den Abend mit dem Appell: „hinterfragen Sie!“

Max Schmitt



Der zweite Abend der Vortragsreihe „Wahrheit, Lüge, Täuschung“ findet am 14.01.14 in der KHG statt. Thema: Die (Un-)Moral der Alltagslüge – eine philosophisch-theologische Betrachtung.

Weitere Aktionen und Veranstaltungen finden Sie unter:
www.khg-wuerzburg.de // www.esg-wuerzburg.de

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