In Europa gibt es kaum etwas Selbstverständlicheres für die Menschen als bei Bedarf jederzeit den Wasserhahn aufzudrehen. Wasser scheint für uns ein unerschöpflicher Rohstoff, den wir bedenkenlos und großzügig am Alltag verwenden. Dabei machen sich nur die wenigsten bewusst, welchen Wert diese Ressource als Grundlage allen Lebens im 21. Jahrhundert hat. Wie stark unser Planet längst am Tropf hängt, vermittelte Dr. Ralf Ibisch vom Zentrum für Umweltforschung Helmholtz bei seinem Vortrag in der KHG. Wie ist es bestellt mit den Wasserreserven in Zeiten des Klimawandels, lautete die Frage des Abends, auf die er sehr differenziert und kritisch einging.
Auch wenn die Berichterstattung über die stetige Erwärmung der Erde sich als entscheidender Faktor aufdrängt, so gebe es doch vielfältige Ursachen und Zusammenhänge für die zunehmend schwierigere Versorgung der Menschen mit Wasser. Als Umweltforscher beschäftigt sich Ibisch mit der Interaktion zwischen Mensch und seiner unmittelbaren Umgebung und beleuchtet daher die Problematik aus unterschiedlicher Perspektive. Die positiven Nachrichten über gute Wasserqualität hierzulande dürfe nicht hinwegtäuschen über die global herrschende „Wasserkrise.“ „Ein Drittel der Menschheit leidet unter Wasserknappheit, Tendenz steigend“, so Ibisch.
Dabei muss man sich vor Augen halten, dass es unglaubliche Wassermengen auf der Erde gibt, aber nur ein verschwindend geringer Bruchteil davon als Lebensgrundlage dienen kann. 97% des Vorkommens ist salzhaltig und damit unbrauchbar. 2% ist im ewigen Eis gefroren. Nur ein Hundertstel bleibt der gesamten Menschheit zur Verfügung. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich aus der extrem ungleichen Verteilung. Während in Deutschland 80% der Wasservorkommen ungenutzt bleiben, dehnen sich die Trockenzonen auf der südlichen Halbkugel ständig aus. Wie existenziell der Grundstoff Wasser für das menschliche Zusammenleben ist, lässt sich schon daran erkennen, dass die Bevölkerungsdichte in regenreichen Gebieten weltweit besonders ausgeprägt ist.
Das sensible Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt wird durch unser Eingreifen in die Natur negativ beeinflusst. Durch Boden- und Vegetationsänderung ergeben sich enorme Einwirkungen auf den Wasserhaushalt. Schnelles Abfließen und erodierende Böden lassen große Mengen an Wasser ungenutzt versickern.
Doch selbst die Reserven, die wir tatsächlich gewonnen haben und nutzen können werden vielfach verschleudert. Mit Blick auf den großen Verbrauch in den USA und Europa scheint es den Menschen an einem verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource zu fehlen. Anders ist es nicht zu erklären, dass in Afrika 10m³ Wasser pro Kopf im Jahr verbraucht werden, dagegen Europa das 10fache und den Vereinigten Staaten das 100fache anfällt. Immerhin ist es in Deutschland gelungen, vor allem bedingt durch verbesserte Technik, den Wasserverbrauch in den letzten 20 Jahren erkennbar zu senken. Dennoch leisten sich die Deutschen den Luxus, ein Drittel ihres Wassers für die Toilettenspülung zu opfern und 6% für Garten- und Autopflege.
Das aber ist nur ein Tropfen auf den vielzitierten heißen Stein, denn mehr als 2,8 Milliarden Menschen leiden schon heute unter sogenanntem Wasserstress. Das lässt sich durch erschreckend konkrete Zahlen ausdrücken: „40% der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu Sanitäranlagen. Jährlich sterben drei Millionen Menschen an den Folgen von verunreinigtem Wasser, das ist mehr als an Tuberkulose und Malaria.“
Zur Lösung der Wasserkrise weltweit gibt es keine einfachen Antworten. Hier, wie im gesamten Klimabereich, stellt sich ein komplexes Problem bedingt durch eine große Anzahl von Abhängigkeiten. Um beispielhaft Wege aus der Krise aufzuzeigen, finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung weltweit Projekte, die der Idee von nachhaltigem Wassergebrauch verpflichtet sind. Einen Krieg um das wertvolle Gut Wasser ist in Zukunft nicht auszuschließen, doch laut Ibisch sind die betroffenen Völker zumindest zur Zeit bemüht, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Wer diese finden sollte, macht sich um die Menschheit verdient, wie kaum ein anderer. Diese Ansicht vertrat bereits John F. Kennedy, der sagte: “Anyone who can solve the problems of water will be worthy of two Nobel prizes – one for peace and one for science.”